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Am 4. November 1943 wurden etwa 14.500 Juden des Arbeitslagers Poniatowa in Ostpolen im Rahmen der „Aktion Erntefest“ erschossen. Nur drei weibliche Häftlinge überlebten das Massaker. Neben dem doppelten Stacheldrahtzaun sind noch zahlreiche Anlagen und Fabrikgebäude des Arbeitslagers erhalten, das heute als Industriegebiet genutzt wird. Auf dem Gelände befinden sich auch die Massengräber von rund 22.000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Poniatowa verhungerten
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Am 4. November 1943 wurden etwa 14.500 Juden des Arbeitslagers Poniatowa in Ostpolen im Rahmen der „Aktion Erntefest“ erschossen. Nur drei weibliche Häftlinge überlebten das Massaker. Neben dem doppelten Stacheldrahtzaun sind noch zahlreiche Anlagen und Fabrikgebäude des Arbeitslagers erhalten, das heute als Industriegebiet genutzt wird. Auf dem Gelände befinden sich auch die Massengräber von rund 22.000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Poniatowa verhungerten

Tote Winkel

Das Lagertor von Auschwitz-Birkenau ist zum Symbol des Holocaust geworden. Wir erinnern vor allem an Auschwitz, weil es Menschen geschafft haben, Auschwitz zu überleben. Sie überlebten, weil Auschwitz nicht nur ein Vernichtungslager war, sondern auch ein Konzentrations- und Arbeitslager.

Den anderen Vernichtungslagern entkam nahezu niemand. Bełżec, wo 434.508 Juden ermordet wurden, überlebten nur zwei oder drei. Diese Lager liegen heute meist im toten Winkel der Erinnerung: Treblinka, Chełmno, Bełżec und Sobibór im besetzten Polen – wo insgesamt rund 1,6 Millionen Menschen ums Leben kamen. Janowska bei Lviv in der heutigen Ukraine. Oder Maly Trostinec in der Nähe von Minsk, der Hauptstadt von Belarus.

Die Massenerschießungen deutscher Einsatzgruppen in Ostpolen, im Baltikum und der Sowjetunion spielen ebenfalls kaum eine Rolle in der öffentlichen Erinnerung, obgleich im Holocaust mindestens genauso viele Juden durch Kugeln wie durch Gas getötet wurden. Aus den Erschießungsgruben kehrte kein Mensch zurück. Die Opfer liegen oft abgelegen oder unmarkiert verscharrt – in Schluchten, Sandgruben und Wäldern, auf Feldern und Müllkippen, in alten Panzergräben.

Auf vielen Reisen vom Baltikum bis zur Krim habe ich Tatorte des Holocaust besucht: Vernichtungs- und Arbeitslager, Massengräber, Transitghettos und Durchgangslager, Erschießungsstätten, ausradierte Dörfer, geschändete Friedhöfe, entweihte Synagogen. Es sind Landschaftsbilder eines Terrains, das kontaminiert ist von der Vergangenheit. Überall habe ich fotografiert, was ich sah. Meist gibt es aber nicht mehr viel zu sehen, wo die Nationalsozialisten Millionen Menschen ermordeten, erstickten, verhungerten und folterten. Das Gras auf den Massengräbern ist nicht weniger grün als anderswo.